Widerruf beim Online-Kauf Teil 2 🚷: Dürfen Kund*innen gesperrt werden?

Einige Kund*innen nutzen das Widerrufsrecht beim Online Kauf schamlos aus. Darauf reagieren die Online Shops mit Sperrungen. Oder nutzen Online Shops das Mittel der Kontosperrung, um uns Kund*innen von unserem Widerrufsrecht abzuhalten?


Inhalt:


Die Seite des Online-Shops

Dreiste Kund*innen machen es den ehrlichen schwer

Online-Shops wollen vor allem Eins: Verkaufen. Dafür brauchen sie Kund*innen. Je mehr desto besser – logisch. Doch einige Shops schmeißen Kund*innen raus und lassen diese nicht mehr bestellen. Dürfen die das überhaupt? Und warum tun sie das?

Retouren sind das größte Problem im Online-Handel

So werden etwa 6,5 Prozent der Einkäufe in Deutschland retourniert.1 Die Universität Bamberg kommt bei ihrer Retouren-Forschung sogar auf eine Rückgabe-Quote von 12,1 Prozent.2 Der Wert der Retouren beträgt laut dieser Studie 487 Millionen Euro.2 Das ist schon eine Menge Geld.

Wenn wir uns dann noch verdeutlichen, dass kleine Online-Shops (weniger als 10.000 Retouren im Jahr) für jede Retour im Schnitt Prozesskosten von 17,70 Euro haben3, dann wird klar: Gerade diese Web-Shops bringen gehäufte Retouren schnell in die roten Zahlen.

Unsere Erfahrung: Da wir einen Retour-Service per DHL anbieten, kennen wir die ungefähren Rücksendequoten unserer Kund*innen. Da zeigt sich, dass Schweizer*innen weniger oft retournieren als Deutsche. Das deckt sich auch mit der oben genannten Studie. Da liegen die Schweizer bei 4 Prozent Retoure-Quote.1

Missbrauch des Widerrufsrechts

Nun garantiert der § 357 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), dass beim Online-Handel ein 14-tägiges Widerrufsrecht besteht. (Die Ausnahmen davon haben wir in Teil 1 dieser Serie erläutert.) Allerdings missbrauchen dieses Recht einzelne Kund*innen gezielt.

Das kann etwa ein Kostüm sein, was nach Karneval wieder zurückgeschickt wird. Auch eine neue Spielkonsole bei mehreren Händler*innen vorzubestellen, nur um die zuerst gelieferte zu behalten und die anderen zu retournieren, deutet auf einen Missbrauch des Widerrufsrechts hin.

Drei konkrete Tatbestände des Missbrauchs konnte eine Studie festmachen:

Kunden bestellen Waren ohne tatsächliche Kaufabsicht zum Spaß (ausgenommen Auswahlbestellungen) und retournieren diese.

Kunden senden Artikel zurück, die sich in einem verschlechterten Zustand befinden.

Kunden nutzen Waren in einem Umfang, der über die in §357 BGB gewährte Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise hinausgeht, schicken sie aber trotzdem zurück.

B. Asdecker (2021): “Statistiken Retouren Deutschland – Definition”4

Natürlich können mit dem Missbrauch des Widerrufsrechts auch andere Händler*innen versuchen, einen Konkurrenten zu schwächen.

Problematisch – Händler*innen dürfen keinen Grund für Retoure verlangen

Sicher können Online-Shops nach einen Rücksendegrund fragen. Dieser Grund muss aber vom Kunden oder der Kundin nicht genannt werden. Auch ohne Grund muss die retournierte Ware angenommen werden. Das macht es für die Händler*innen schwierig, begründete Retouren, etwa wegen fehlerhafter Artikel, vom Missbrauch zu unterscheiden.

Was tun Online-Shops, die Missbrauch befürchten?

Für die Online-Händler*innen bleibt bei befürchteten Missbrauch meist nur die eine Möglichkeit: das Kundenkonto sperren. Die Kund *innen können also nicht mehr bei diesem Händler oder dieser Händlerin bestellen.

Doch ist die Kundenkonto-Sperrung überhaupt rechtens?

Die Seite von uns Kund*innen

Angst vor Sperrung macht uns Druck

Für uns Kund*innen ist das Widerrufsrecht essentiell beim Online-Shopping. Gerade wenn wir Kleidung oder Schuhe kaufen, können wir unmöglich wissen, ob die wirklich passen. Wir müssen sie anprobieren. Auch kann der neue Laptop ein spiegelndes Display haben, obwohl wir ein mattes brauchen. Doch das spiegelnde Display stand nicht in der Artikel-Beschreibung. Wir müssen unpassende Sachen also zurückschicken dürfen.

Allerdings hören wir immer wieder von gesperrten Konten, aufgrund zu vieler Widerrufe.

  • “Wollen wir es riskieren, dass unser Amazon-Konto gesperrt wird?”
  • “Wollen wir da nicht lieber auf die Retoure verzichten?”

Das sind sicher Gedanken, die uns Kund*innen in den Sinn kommen. Und manche Händler*innen spielen gern mit dieser Drohkulisse.

Dürfen Händler*innen Kund*innen wegen häufiger Widerrufe sperren?

Ja, Händler*innen dürfen Kund*innen ausschließen, denn es herrscht Vertragsfreiheit. Kurz: Jeder kann sich aussuchen, mit wem er Geschäfte macht.

Aber ein Online-Shop darf die Vertragsfreiheit nicht missbrauchen, um Kund*innen vom Widerruf abzuhalten.

Das sind widersprüchliche Aussagen. Was also tun?

Klarheit bringen die Nutzungsbedingungen

Der Online-Shop muss definieren, wann ein Missbrauch des Widerrufsrechts vorliegt. Das sollte er den Kund*innen in seinen Nutzungsbedingungen angeben. Schwammige Formulierungen wie: “Wenn Verbraucher*innen gegen unsere Richtlinien oder Grundsätze verstoßen, können wir diese vom Marktplatz ausschließen”, funktionieren nicht, solange nicht konkret erklärt wird, wie diese Grundsätze und Richtlinien aussehen. Das ist Beispielsweise bei Amazon der Fall. Das Unternehmen sperrt gern Konten und behält sich sogar das Einbehalten gekaufter digitaler Inhalte vor und begründet dies mit schwammigen Formulierungen.5

Was ist nun mit der Widerruf und Kontensperrung?

Online-Shops dürfen Kund*innen sperren, bei denen sie einen Missbrauch des Widerrufsrechts feststellen. Sehen Kund/*innen diese Sperrung aber als unverhältnismäßig können sie dagegen klagen und haben gute Chancen.

Was Händler*innen auf gar keinen Fall machen dürfen, ist: Kund*innen mit einer Sperrung drohen, um sie damit vom Widerruf abzuhalten.6

Und selbst wenn mal das Amazon- oder Zalando-Konto gesperrt werden sollte, es gibt tausende Online-Shops als Alternative.


Und nächste Woche im Blog:

Verraten wir Ihnen, wie Sie wirklich viel Zeit sparen und ihre Nerven schonen. Wie das geht? Schauen Sie nächsten Freitag einfach vorbei.


Haftungsausschluss

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Quellen

  1. vgl. S. 10, „Internationaler E-Commerce – Chancen und Herausforderungen aus Händlersicht “ (9/2019), ibi research (IHK & DIHK), https://www.dihk.de/resource/blob/12116/8ddcf861c6a7ed13af332158e8c1953f/dihk-ibi-studie-internationaler-e-commerce-data.pdf, Abruf am: 05.05.2021.
  2. vgl. “Retourentacho 2018/2019 ausgewertet” (26.04.2019), retourenforschung.de (Universität Bamberg), http://www.retourenforschung.de/info-retourentacho2019-ausgewertet.html, Abruf am: 05.05.2021.
  3. vgl. B. Asdecker (2021): “Statistiken Retouren Deutschland – Definition”, Online: http://www.retourenforschung.de/definition_statistiken-retouren-deutschland.html, Abruf am: 05.05.2021.
  4. zitiert nach: B. Asdecker (2021): “Statistiken Retouren Deutschland – Definition”, Online: http://www.retourenforschung.de/definition_statistiken-retouren-deutschland.html, Abruf am: 05.05.2021.
  5. vgl. „Zu weit gehende Kundenkontosperrung durch Amazon – OLG Köln vom 26.02.2016 – Az. I-6 U 90/15“ (26.03.2017), https://www.mahnerfolg.de/urteile/index.php/zu-weit-gehende-kundenkontosperrung-durch-amazon/, Abruf am: 05.05.2021.
  6. vgl. Yvonne Bachmann: “Wir müssen leider draußen bleiben – Können Kundenkonten wegen zu vieler Retouren gesperrt werden?” (04.02.2020), https://www.onlinehaendler-news.de/e-recht/rechtsfragen/132380-kundenkonten-retouren-gesperrt, Abruf am: 05.05.2021.